Freitag, 31. März 2017

Vom Lernen und Lehren

"Ein Kind, ein Lehrer, ein Stift und ein Buch können die Welt verändern."
Malala Yousafzai, Friedensnobelpreisträgerin 2014

Hallo ihr Lieben!
Wie ich höre, kommt der Frühling zu euch. Genießt die Sonnenstrahlen!

Nach den ersten Wochen auf Arbeit wollte ich mal ein wenig berichten, was sich verändert hat und wie es so läuft.

Verändert haben sich meine Arbeitszeiten sowie meine Aufgaben. Anstelle von 40 Stunden mache ich nun 31, was bedeutet, dass ich einen freien Nachmittag pro Woche habe.

Vormittags unterrichte ich zwei Stunden die Mädchen aus dem Aufnahmehaus und danach die classe relais, also die Kinder, die auf dem Markt arbeiten. 
An den Nachmittagen nehme ich entweder an Besprechungen teil, helfe in der Bibliothek oder verbringe die Zeit mit den Mädchen.(Spiele, basteln, Sport etc.)
Nach wie vor macht mir die Arbeit Spaß und ich mag alle meine Aufgaben gern. :-)

Dadurch, dass ich nun anstelle der Kleinkinderbetreuung am Vormittag, mit den Mädchen arbeite sowie auch die meisten Nachmittage, bauen wir nun eine enge Bindung zueinander auf.
Die Mädchen sind Opfer von sexueller, körperlicher oder seelischer Gewalt und werden medizinisch und psychologisch betreut und juristisch vertreten.
In der Regel bleiben sie bis zu 3 Monate und dann versucht man sie möglichst in familiäre Strukturen einzugliedern (wieder in die eigene Familie, zu nahen Verwandten oder Bekannten) und wenn dies nicht möglich ist in Institutionen wie Heime oder Ausbildungsstätten. Das centre erklärt den Fall dann aber nicht für abgeschlossen, sondern betreut die Mädchen noch lange darüber hinaus, um sicherzugehen, dass alles in den richtigen Bahnen verläuft.

Momentan sind es sechs Mädchen im Haus. Zwei zwölf-Jährige, die anderen sind 16/17 Jahre alt. Sowie der Großteil der Mädchen, den ich kennengelernt habe bis jetzt, sind es auch jetzt wieder sehr starke Charaktere.
Ich lerne die Mädchen meist erst einmal kennen und erfahre einige Tage später, aus welchem Grund sie zu uns gekommen sind. Momentan sind wirklich einige sehr erschreckende Geschichten dabei (wobei man das natürlich nicht klassifizieren kann, letztendlich kommen sie ja alle her, weil ihnen etwas Schlechtes widerfahren ist.)
Dieser Teil der Arbeit fällt mir am Schwersten. Die Geschichten zu hören und dann so toughen, aufgeschlossenen und lieben Mädchen gegenüber zu sitzen im Wissen, was ihnen passiert ist.

Momentan fordert mich die Arbeit mit ihnen sehr, da sie wie schon gesagt, sehr starke Persönlichkeiten sind und teilweise auch echt pubertär. Wie äußert sich das? Zum einen kämpfen sie sehr um meine Aufmerksamkeit und Anerkennung, gleichzeitig testen sie ihre Grenzen aus und können z.Bsp. mit Berichtigungen im Unterricht nur schwer umgehen. Da ist es schwierig für mich als Bezugs-, aber auch Respektperson meiner Aufgabe gerecht zu werden.
Am Anfang der Woche kam es dazu, dass ich zwei Mädchen aus dem Unterricht geschickt habe, um mit Extra-Aufgaben zurück ins Haus zu gehen, da sie einfach nicht aufgehört haben, Ewé zu reden. Das ist zum Einen unhöflich, da ich es nicht verstehe, aber vor allem ist es eine grundlegende Regel, dass während des Unterrichts bei uns wie auch beim Unterricht in den Schulen Französisch gesprochen wird. Da meine Ermahnungen aber scheinbar "ins eine Ohr rein und ins andere raus" gingen, sagte ich irgendwann, dass die Nächste, die sich nicht daran hält, zurück ins Haus gehen müsse. Tja, dann muss man auch Wort halten... Ich war selbst überrascht, wie konsequent ich mich in diesem Moment durchgesetzt habe, denn die beiden haben wirklich mit allen Mitteln versucht, mich umzustimmen (Mitleid, Reue, Bockig-Sein, Ausreden... ). Ausgerechnet diese Beiden suchen normalerweise besonders meine Nähe, aber in diesem Moment waren sie natürlich überhaupt nicht einverstanden mit mir. Letztendlich sind sie dann gegangen und ich habe mich wirklich gefragt, wie die Reaktion am nächsten Tag wohl ausfallen würde. Würden sie es verstehen oder bockig mit mir sein?
Am folgenden Tag kamen die Mädchen in den Unterricht, ihre Aufgaben vorbildlich gelöst und nun bemühen sich alle sehr Französisch zu reden. Wir haben noch einmal darüber gesprochen, dass es mir ja nicht darum geht, jemanden auszuschließen oder mich zu demonstrieren, aber dass ich erwarte, dass wir uns gegenseitig mit Respekt begegnen und uns eine gute Atmosphäre zum Lernen schaffen und nicht nur beim Spielen Spaß haben und gut miteinander umgehen.
Im Endeffekt war es richtig, einmal durchzugreifen und an den Reaktionen habe ich ja auch gesehen, dass es sinnvoll war. Trotzdem ist das in dem Moment selbst gar nicht so leicht.
Da musste ich an die Worte einer früheren Lehrerin denken: "Ich wusste nicht, ob ich als Lehrer oder Mensch handeln sollte."
Damals fand ich das ziemlich witzig, aber nun stehe ich oft selbst in einem ähnlichen Zwiespalt. Auf der einen Seite weiß ich, dass es wichtig ist, dass die Mädchen sich untereinander austauschen und bin froh, wenn sie das Passierte verarbeiten, gleichzeitig ist in den zwei Unterrichtsstunden am Tag nicht der richtige Zeitpunkt dafür und sie profitieren, wenn sie etwas Lernen, was ihnen im späteren Leben hilft, ihren Lebensunterhalt  (unabhängig) zu verdienen und ich ihnen somit auch nicht alles durchgehen zu lassen.

Ja, wir entwickeln uns zusammen weiter, lernen von- & miteinander. An jedem Tag wartete etwas Neues auf uns, wir gehen ein Stück unseres Weges zusammen und oft bedeuten die Kleinigkeiten des Alltags am Ende am Meisten.

Ganz liebe Grüße an euch alle,
bis bald,
à bientôt,

Tabea

Freitag, 17. März 2017

"Wie ist es denn da so?"

Hallo ihr Lieben!

Da ich nun während meines Aufenthaltes in Deutschland so einige Fragen gestellt bekommen habe und einige immer wieder, dachte ich, schreibe ich diese mal auf, da sie vielleicht noch einige mehr interessieren.

Wie warm ist es?
Als wir im August ankamen waren es im Schnitt um die 28 Grad, da es der kälteste Monat ist. Momentan ist es jedoch sehr warm, bis zu 45 Grad, und wird Richtung Regenzeit, die im Mai langsam kommt, wieder kühler. Anstrengend ist für uns jedoch vor allem die Luftfeuchtigkeit, die sehr hoch ist.

Cremst du dich jeden Morgen mit Sonnencreme ein?
Zum Glück nicht, es ist auch so klebrig genug. :-D Hier befindet man sich, soweit es sich vermeiden lässt, nicht in der direkten Sonne, weil es einfach zu warm ist. Wir cremen uns höchstens ein,wenn wir mal an den Strand gehen.

Wie fährt man Moto?
Ein freies Moto zu finden ist aber der Anzahl an Fahrern nicht schwer. Eigentlich reicht es am Straßenrand zu warten (wenn man einen Helm bei sich hat, wird man sowieso erkannt).
Freie Motos machen durch Hupen auf sich aufmerksam, allerdings gibt es auch andere Gründe zum Hupen. Ansonsten rufen die Fahrer auf Ewé "Oleyah?" so etwas wie "Fahren wir?".
Man kann auch auf sich aufmerksam machen indem man die Hand hebt oder eine "Komm her" Bewegung macht. Sehr verwirrend, da man die Hand vom Körper wegbewegt sowie bei uns "Geh weg". Viele machen auch "ksss"-Laute oder ein schmatzendes Geräusch, indem man den Mund wie zum Pfeifen formt und die Luft einzieht.
Ist ein Moto gefunden, gibt man das Ziel an. Es gibt zwar auch einige Straßennamen, aber man nutzt diese nicht. Stattdessen orientiert man sich an Kreuzungen, Schulen, Märkten etc. und sagt ab dort den weiteren Weg an.
Der wichtige Teil sind allerdings die Preisverhandlungen. Diese sollte man machen bevor man fährt, denn sonst verlangt der Fahrer oft im Nachhinein einen höheren Preis als man selbst erwartet hat.
Wenn das alles erledigt ist, steht der Fahrt nichts mehr im Wege. Wie man auf Ewé sagt "Midjo". (Los geht's.)

Sind die Leute denn alle arm?
Armut ist natürlich eine Perspektivenfrage. Bei uns kann jemand mit einem Einkommen von einigen hundert Euro im Monat als arm gelten. Die Armutsgrenze variiert von Land zu Land.
Schlägt man sich mal durch den Dschungel aus Statistiken findet man verschiedene Angaben. Es leben wohl zwischen 30%-70% (keine sehr genaue Angabe, ich weiß) der togoischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Diese Zahl spricht für sich. Es gibt natürlich auch sehr wohlhabende Leute. Es kommt mir so vor, als wenn die Spanne zwischen arm und reich nicht so stark auseinander liegt wie in beispielsweise Deutschland oder Südafrika. Das Leben ist in vielen Hinsichten anders als in Europa, aber die Bilder von Slums, Kindern mit Hüngerbäuchen und Fliegen in den Augen, die in unseren Medien oft mit Afrika in Verbindung gebracht werden,prägen unseren Alltag nicht.

Aber die Menschen sind ja arm trotzdem glücklich, oder?
Die Frage wurde mir so häufig gestellt! Niemand ist glücklich, der nicht weiß, ob es am Monatsende reicht, um sich lebenswichtige Dinge zu finanzieren. Wenn eine Mutter zu uns ins Projekt kommt und um Unterstützung bittet, da sie das Schulgeld nicht mehr zahlen kann und das Kind sonst mit ihr arbeiten muss, ist sie nicht glücklich.
Wenn ein Mensch hier verstirbt, da er sich den Arzt nicht leisten kann. Sind seine Angehörigen "trotzdem glücklich"?
Ich denke, die Absurdität der Frage liegt auf der Hand.
Aber ja, die Menschen leben ihr Leben trotzdem. Der Alltag hier kommt mir oft im Vergleich zum Unseren in Deutschland härter vor, sind bei uns viele grundlegende Dinge gesichert durch Versicherungen, staatliche Unterstützung, Zugang zu einem guten, kostenlosen Bildungssystem etc.
In Deutschland ist meckern auf hohem Niveau ein Luxusproblem, was sich die meisten Menschen hier nicht leisten können.

Ist es gefährlich?
Auch diese Frage lässt sich natürlich nicht eindeutig beantworten. Ich fühle mich sicher hier, wir können abends ohne Probleme ausgehen oder bei der Bank Geld holen ohne danach einen Überfall zu fürchten. Vorsichtig sein sollte man aber immer. Abends allein durch die Straßen spazieren geht nicht. Sollte man aber in den Vierteln einiger deutscher Großstädte auch nicht tun. In London, Paris und Co. muss man auch auf seine Handtasche achtgeben und nicht offen rumtragen.
Insgesamt gilt Togo aber als eines der sichersten Länder Afrikas. Da es verhältnismäßig wenig Tourismus gibt, gibt es auch keine Kleinkriminellen, die sich auf den Diebstahl bei Weißen, also vermutlichen Touristen, spezialisiert haben und davon leben können. Trotzdem ist es eine Hauptstadt in der viel los ist. Also...Vorsicht gehört dazu, man sollte auf sein Bauchgefühl hören und auch Glück gehört wohl dazu.

Nachtrag: Gibt es dort Strom,Wasser und Internet?
Am Bestehen des Blogs kann man sich wohl schon 2 Punkte selber erklären. Wir nutzen hauptsächlich das Internet unserer SIM Karten oder Internet Cafés, es gibt aber auch Internetsticks oder die Möglichkeit sich WLAN installieren zu lassen.
Wir haben in unserer Wohnung fließendes, kaltes Wasser. Viele unserer Nachbarn haben einen solchen Zugang nicht. Das ist also nicht grundsätzlich zu sagen. Bis auf einige Ausfälle von Wasser oder Strom von Zeit zu Zeit, gibt es also kaum einen Unterschied für uns. Ärgerlich wird es nur, wenn man gerade einshampooniert unter der Dusche steht und auf einmal kein Wasser mehr kommt... :-D

So, diese sind mir erstmal am meisten im Gedächtnis geblieben.
Die Fragen "Was gibt es da so zu essen?" und "Was machst du den ganzen Tag so?" beantworte ich nochmal extra. ;-)

Auf die Frage, wie es hier so ist, kann ich nur für mich sprechen... Ich bin sehr glücklich, genieße das Leben hier und bin froh, die Chance erhalten zu haben, in diesem Land einige Zeit zu leben und viele tolle Bekanntschaften machen zu können.

Ganz liebe Grüße,
à bientôt

Tabea

Dienstag, 14. März 2017

Bienvenue au Togo - Wœzõ loo

Ihr Lieben,
ich hoffe, es schaut überhaupt noch jemand auf den Blog! ;-)

Wie man es am Titel erkennen kann...Ich bin wieder in Togo!
Am Samstag bin ich angekommen und wurde ganz lieb empfangen.
Im Taxi vom Flughafen in die WG stritten die Gefühle in mir, kam mir alles sehr vertraut, aber auf einmal doch auch fremd vor. Mittlerweile fühle ich mich aber als wäre ich gar nicht weg gewesen.

In unsere WG ist nun Stella gezogen, die sich mit mir ein Zimmer teilt, da es einige Differenzen mit unserer vorigen Mitbewohnerin gab , die nun in die große ViA-WG gezogen ist.
Was freue ich mich wieder hier zu sein und meine Freunde hier um mich zu haben!

Am Montag bin ich wieder arbeiten gewesen und wurde auch dort sehr herzlich in Empfang genommen, geknuddelt und geherzt. Die Kinder aus meiner Klasse haben sich besonders gefreut. Die Arbeit mit ihnen macht mir sehr viel Spaß. Mittlerweile sind es 5 Schüler. Sie haben so tolle Fortschritte gemacht und sind sehr motiviert. 
Insgesamt werde ich wohl mit den Stunden etwas runtergehen und meine Aufgaben werden sich auch nochmal ändern. In dieser Hinsicht war es eigentlich ganz hilfreich, Zeit zu haben die Arbeit zu reflektieren und auch meine Kollegen haben gesehen, wo meine Unterstützung vielleicht mehr gebraucht wird als in anderen Bereichen.

Bis bald, á bientôt,

Tabea